Eine lebendige Erinnerung

Sophie von Bechtolsheim liest aus ihrem Buch über Graf von Stauffenberg; Bildquelle: Gossmann/Malteser

Hildesheim (mhd). Am 20. Juli 1944 wollte er Adolf Hitler töten und scheiterte. Dennoch wurde Claus Schenk Graf von Stauffenberg zu einem nationalen Mythos. Doch er war auch Ehemann, Vater – und für spätere Enkel ein Großvater, den sie nicht kannten. Sophie von Bechtolsheim, eine der Enkeltöchter des Grafen, las auf Einladung der Malteser am Dienstagabend, 28. November 2023, in der Hildesheimer Dombibliothek vor einem großen Publikum aus ihrem Buch „Stauffenberg – mein Großvater war kein Attentäter“ und zeichnete dabei ein differenziertes Bild dieses Mannes.

Sein Name steht auf Straßenschildern, nach ihm sind Schulen benannt. Regelmäßig werden am 20. Juli Bundeswehrsoldaten vereidigt. Keine Frage – Claus Graf von Stauffenberg ist fast ein öffentliches Gut geworden, ein Symbol für das gute Deutschland. Doch er war auch ein Mann mit Ecken, Kanten und manchen Macken. Wenn er sich zum Beispiel am Handknöchel gestoßen hatte, so stieß er sich absichtlich auch am anderen Handknöchel – um die Symmetrie zu wahren! Dies und manches mehr verrät Sophie von Bechtolsheim in ihrem lesenswerten Buch. Doch die studierte Historikerin und Medienwissenschaftlerin, die erst 24 Jahre nach dem Tod ihres Großvaters geboren wurde, erschöpft sich darin nicht im Anekdotischen. Reflektiert und differenziert beschreibt sie zum Beispiel, wie sie und ihre Familie als regelmäßige Ehrengäste bei den runden Jahrestagen der Tat vom 20. Juli 1944 hofiert wurden und wie das auf sie als Enkeltochter wirkte. Nachdenklich setzt sie sich auch mit den moralischen Fragen auseinander, vor denen ihr Großvater stand.

Sophie von Bechtolsheim konnte bei ihrem Buch auf eine ganz besondere Quelle zurückgreifen: Jahrelang war sie einmal pro Woche bei ihrer Großmutter Nina zu Stauffenberg zu Gast – der Witwe des erschossenen Grafen. Das Buch „Stauffenberg – mein Großvater war kein Attentäter“ ist somit auch ein erstklassiger Zugang zu einem der wichtigsten Tage der deutschen Geschichte.

Dies schienen auch die rund 100 Besucherinnen und Besucher geahnt zu haben, die trotz winterlichen Wetters zur Lesung in die Dombibliothek gekommen waren und der Autorin nach ihrem lebendigen Vortrag interessante Fragen stellten. Das große Interesse an dieser Lesung zeigte, wie sehr die vergebliche Tat des Grafen von Stauffenberg auch heute noch viele Menschen beschäftigt. Im Anschluss an Lesung und Signierstunde war die Enkeltochter von Stauffenbergs jedenfalls noch lange eine gesuchte Gesprächspartnerin.

Organisiert wurde die Lesung mit Sophie von Bechtolsheim durch die Malteser in der Diözese Hildesheim und gefördert durch das Bundesprojekt „Zusammenhalt durch Teilhabe“.


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