Selbst Kater Puky blieb entspannt

Hannover/Misburg (mhd). Mit 34 Männern und Frauen zogen die Malteser in der Diözese Hildesheim am Donnerstag, 3. Juni, gegen den Krieg zu Felde. Nachdem bei Bauarbeiten in Misburg-Nord zwei Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden waren, verstärkten sie im Zuge der folgenden Bombenentschärfung die insgesamt 849 Einsatzkräfte aus Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen und Kampfmittelbeseitigungsdienst und versorgten in der Turnhalle des Schulzentrums Misburg bis zu 220 Evakuierte.

Puky hatte sich seinen eigenen Bunker mitgebracht: Stoisch verfolgte der zehnjährige Britische Kurzhaarkater gut geschützt aus seiner Katzenbox das bunte Treiben in der Turnhalle an der Ludwig-Jahn-Straße. Katermutter Jutta Bruder war die erste, die sich bei den Maltesern registriert hatte, um die Bombenentschärfung in der Turnhalle abzuwarten. „Ich kann die Hektik nicht ertragen und Puky auch nicht“, so erklärte die fitte 74-Jährige, warum sie lange vor der offiziellen Evakuierung, die um 14 Uhr starten sollte, mit dem Auto zur Turnhalle gefahren war. So fand sie in aller Ruhe noch einen guten Parkplatz und auf der Empore der Turnhalle dann auch einen ruhigen Aussichtspunkt für sich und Puky.

Derweil waren Niklas Kühlborn und seine Braunschweiger Malteser noch bei der Arbeit. Gemeinsam wuchteten sie 28 Sätze Biertischgarnituren aus dem imposanten Malteser-Anhänger und stellten sie in der großen Turnhalle auf – in gebührendem Abstand voneinander: „An jedem Tisch soll wegen der Corona-Pandemie möglichst nur eine Familie sitzen,“ dirigierte Unterabschnittsleiter Kühlborn und musste später nachsteuern. Gegen 15 Uhr, als sich die Halle langsam füllte, stellten die Braunschweiger weitere Tische und Bänke auf. Rund 220 Personen hatten die Malteser am Ende in „ihrer“ Halle zu Gast.

Darunter auch Familie Gordyenko, die aus der Ukraine stammt und seit rund zwei Jahrzehnten in Deutschland lebt. Mit ihren drei Töchtern Julia, Anna und Lisa war Mutter Iryna mit dem Bus in die Unterkunft gefahren, später kam Vater Oleg von seiner Arbeitsstelle dazu, er ist Transporteur. Das fünfjährige Nesthäkchen Lisa erlebte die Evakuierung als großes Abenteuer, so etwas hatte sie noch nicht erlebt und zappelte aufgeregt in Papas Armen. Beide älteren Schwestern und die Eltern dagegen nahmen es gelassen, sie haben schon mindestens eine Bombenräumung mitgemacht. Die Älteste nutzte die Zeit sogar zum Lernen, sie studiert Soziale Arbeit in Vechta.

So blieb der unfreiwillige Ausflug in die Turnhalle an der Ludwig-Jahn-Straße für alle Beteiligten relativ entspannt, selbst für die Malteser. Für sie hatte der Tag zwar früh begonnen, in Braunschweig bereits um 7 Uhr morgens am Fahrzeugdepot, doch das schöne und warme Wetter und die eingespielte Zusammenarbeit aller Hilfskräfte sorgte für einen reibungsarmen Verlauf des Nachmittags. Zu keinem Zeitpunkt etwa kam es am Halleneingang bei der Registrierung der Gäste zu Stau oder Stress. Mit freundlicher Stimme notierten dort junge Malteser-Helferinnen die Namen und Geburtsdaten der Evakuierten und trugen sie spät am Abend dann wieder aus. Lediglich die Mund-Nasen-Masken und das obligatorische Fiebermessen erinnerten daran, dass wir noch mitten in einer Pandemie leben.

Am Ende konnte Malteser Christian Cossmann als Leiter der Unterkunft ein positives Fazit dieses Einsatzes ziehen: „Unseren Auftrag zur Einrichtung und zum Betrieb einer Unterkunft für die betroffene Bevölkerung haben wir erfolgreich umgesetzt,“ so Cossmann, der sich über zahlreiche positive Rückmeldungen freute, unter anderem von der Berufsfeuerwehr, betroffenen Bürgern, Ministerpräsident Stephan Weil und Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay, die beide vor Ort waren und sich selbst ein Bild von der Lage gemacht hatten. Lob kam auch vom Gesundheitsamt Hannover nach einer Überprüfung der hygienischen Bedingungen bei der Registrierung, im Aufenthaltsbereich und bei der Essenausgabe. Aufgrund des schwül-warmen Wetters hatten einige Gäste Kreislaufprobleme, eine Person musste ins Krankenhaus gebracht werden, doch „große medizinische Versorgungen blieben aus.“

Schließlich sprach Cossmann seinen 34 Maltesern – zwölf aus Hannover, zwei aus Hildesheim, vier aus Celle, fünf aus Göttingen und elf aus Braunschweig – ein großes Lob aus: „Ich bin sehr glücklich, dass wir alle gemeinsam diesen Einsatz so super abgearbeitet und stets extrem professionell und lösungsorientiert Hand in Hand gewirkt haben! Das war eine super Leistung! Herzlichen Dank!“

Die Evakuierung von rund 15.000 Bürgern aus Misburg war notwendig geworden, nachdem am Mittwoch, 2. Juni, bei Bauarbeiten in Misburg-Nord zwei Zehn-Zentner-Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden waren. Nach Angaben der Feuerwehr Hannover kamen rund 500 Betroffene selbstständig in die bereitgestellten Unterkünfte oder wurden dorthin gebracht. Am späten Abend gelang es, beide Bomben zu entschärften, so dass die Evakuierten nach 21.30 Uhr wieder in ihre Wohnungen zurückkehren konnten.